Komfortgewinn statt Kühlschrankspielerei: Das Rennen ums vernetzte Heim (Gastbeitrag von Ralph C. Trapp, Accenture)

Selected button icons on business handSmart Home ist eine Riesenchance für alle, die schon jetzt einen Fuß in der Tür zu den eigenen vier Wänden des Endverbrauchers haben: für Energieversorger, Telekommunikationsanbieter und die Hersteller von Haushaltsgeräten. Eröffnet haben das Rennen jedoch die Internetkonzerne wie Google und Apple. Wer am Ende als Sieger über die Ziellinie gehen wird, steht noch nicht fest. Erfolg wird nur haben, wer den Kunden vor allem Komfort und Sicherheit bietet.

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 Ralph C. Trapp, Geschäftsführer des Bereichs Energiewirtschaft bei Accenture.

In vielen Wirtschaftszweigen war in den vergangenen Jahren der gleiche Vorgang zu beobachten: Neue Technologien, vor allem die fortschreitende Digitalisierung, eröffnen neue Märkte und Möglichkeiten. Doch alteingesessene Akteure sehen in der Entwicklung eher eine Bedrohung und reagieren zu zögerlich. Der Fortschritt lässt sich jedoch nicht aufhalten. Und so sind es schließlich Internetfirmen und Start-Ups, die von den neuen Chancen profitieren. Was Musikindustrie, Zeitschriftenverlage und Filmverleiher schon erlebt haben, droht sich gerade auf dem Markt für Smart Home-Technologien zu wiederholen.

Dass der Markt rund um das vernetzte Heim gewaltiges Wachstumspotenzial hat, ist kaum zu übersehen: Nach einer Accenture-Umfrage nutzen aktuell nur drei Prozent der Haushalte in Deutschland entsprechende Produkte. Mehr als jeder dritte Verbraucher kann sich aber gut vorstellen, Haustechnik und -geräte künftig zu vernetzen und fernzusteuern. Welche Gelegenheiten sich hier bieten, haben große Internetkonzerne längst erkannt: Google hat sich mit der Firma Nest einen etablierten Hersteller von Hard- und Softwareprodukten ins Boot geholt. Und Apple bringt mit der neuen Version seines mobilen Betriebssystems iOS 8 die auf Smart Home ausgerichtete Plattform HomeKit auf den Markt.

Verbraucher versprechen sich mehr Sicherheit, Komfort und Kostenersparnis

Entschieden ist der Kampf um das Wohnzimmer aber noch nicht. Denn viele Verbraucher, die mit Smart Home liebäugeln, versprechen sich davon vor allem sinkende Energiekosten und eine komfortablere Bedienung der Haustechnik. Wer will schon in den Keller steigen, wenn er die Wärmepumpe einfach mit dem Tablet auf dem Sofa steuern kann? Hinzu kommt der Wunsch nach mehr Sicherheit, weil die Smart Home-Technik zum Beispiel erlaubt, das Zuhause aus der Ferne zu überwachen. Zur Erfüllung dieser Wünsche würden sich viele Verbraucher aber nicht an Google & Co. wenden, sondern eher an ihre etablierten Energieversorger, an Telekommunikations- und Kabelprovider sowie Sicherheitsdienstleister. 

Über den Erfolg von Smart Home-Angeboten werden am Ende nicht einzelne Funktionen entscheiden, sondern das Zusammenspiel der Geräte. Wer sich für Smart Home interessiert, will nicht unbedingt den Kühlschrank, der automatisch Milch und Butter auf den Einkaufszettel schreibt. Solche Science-Fiction-Spielereien werden zwar seit Jahren immer wieder präsentiert, wenn es um Smart Home geht – Verbraucher haben aber eher das große Ganze im Blick. Gewinnen wird das Rennen ums vernetzte Heim der Anbieter, der als erstes eine Lösung auf den Markt bringt, mit dem sich von der Haustechnik bis zur Heimelektronik alles steuern lässt – und zwar so simpel und unmittelbar, wie es der Anwender von anderen Diensten auf seinem Smartphone, Tablet oder Smart-TV gewohnt ist. Natürlich kommt es dabei auch auf den Preis an: Verbraucher sind zwar gewillt, für solche Dienste auch zu zahlen. Teurer als ein handelsüblicher Router darf die Infrastruktur zur Einbindung der Geräte aber nicht sein.
Diese Infrastruktur muss außerdem so offen wie möglich sein. Denn zurzeit fehlt es dem Markt noch an einheitlichen Standards. Der Nutzer muss sich daher vor dem Kauf gründlich informieren, welche Geräte wie zusammenarbeiten, und welche nicht. Andernfalls droht nach dem Kauf eine böse Überraschung. Zum Alltagsprodukt werden Smart Home-Technologien erst, wenn diese Hürde überwunden ist. Genau darauf zielt Apple mit seiner HomeKit-Plattform. Dass der Konzern damit auch Erfolg hat, ist aber alles andere als gewiss. Denn das nötige Know-how, um einen solchen Standard zu etablieren, besitzen auch andere wie die Kommunikationsdienstleister, aber auch die Haushaltsgerätehersteller arbeiten daran.

Die Smart Home-Zukunft besteht aus vollständig integrierter Technik und selbstlernenden Systemen

Die Entwicklung auf dem Smart Home-Markt steht noch ganz am Anfang. Denn langfristig werden nicht nur einzelne Funktionen, sondern auch einzelne Geräte nicht mehr die große Rolle spielen, die sie heute noch haben. An die Stelle einzelner Fernseher, Küchenmaschinen oder Lampen tritt vollständig integrierte Technik – etwa eine Wand, die zum Display wird. Gleichzeitig werden kommende Generationen von Verbrauchern immer weniger Wert darauf legen, die Haustechnik in allen Details selbst zu steuern. Wichtig werden stattdessen selbstlernende Systeme, die durch Sensoren und gesammelte Daten ganz alleine erkennen, ob ihr Anwender friert oder schwitzt. Solch sensible, persönliche Daten überlassen Verbraucher nicht jedem x-beliebigem Unternehmen. Als besonders vertrauenswürdig gelten die Energieversorger, während Internetkonzerne in dieser Kategorie unter ferner liefen rangieren.
Schaut man sich das Profil der potenziellen Anbieter vor diesem Hintergrund genauer an, müssten die Energieversorger in der Pole Position sein: Sie vereinen eine hohe Kompetenz in Sachen Energie, ein großes Vertrauen beim Umgang mit Daten und einen Stamm von Millionen von Endkunden. Folglich müssten sie die besten Voraussetzungen haben, im Geschäft mit dem vernetzten Heim ganz vorne mitzuspielen. Nur zu lange zögern dürfen sie nicht mehr. Sonst haben am Ende doch wieder Google, Apple & Co. die Nase vorn.

Der Autor

Ralph CTrapp, Ralph C [Accenture]_4c. Trapp, Geschäftsführer des Bereichs Energiewirtschaft bei Accenture

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