Tageszusammenfassung der „22. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft 2015“ 20. Januar 2015

„Eine Welt neuer Möglichkeiten“ – die Zukunft der Energiewirtschaft in Europa

Ausbau der erneuerbaren Energien, veränderte politische Rahmenbedingungen, schwankende Rohstoffpreise – die Branche werde zurzeit kräftig durchgeschüttelt, erklärte Dr. Johannes Teyssen, Vorsitzender des Vorstandes, E.ON SE, zum Auftakt der 22. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft 2015 in Berlin. Um auf die veränderten Anforderungen zu reagieren, habe sich E.ON zum radikalen Schritt der Unternehmensteilung entschieden und z.T. hundert Jahre alte Strukturen aufgebrochen. Chancen sehe E.ON vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien, intelligenter Netze und kundennaher Energielösungen. Gleichzeitig sei das Zeitalter der konventionellen Energieerzeugung aber nicht vorbei. Angesichts fehlender Speicherkapazitäten und zunehmender Netzschwankungen durch das Einspeisen volatiler Energien brauche es beides: erneuerbare und konventionelle Energieerzeugung. Somit sei die neue Gesellschaft mitnichten eine „Bad Bank“ wie von Kritikern kolportiert. Beide Unternehmen seien zukunftsfähig, die neue Gesellschaft starte ohne Marktschulden und wolle gute Investment Ratings erzielen.

Energiewende geht nur europäisch

Von der Politik forderte Teyssen die schnelle Einführung eines Kapazitätsmarktes und eine Reform des Emissionshandels. „Wir müssen global denken anstatt auf nationale Alleingänge wie jüngst bei der Kohle zu setzen“. Eine paneuropäische Lösung strebt auch Miguel Arias Canete, EU Kommissar für Klimaschutz und Energie, an. In seiner Videobotschaft stellte er die Bedeutung des europäischen Binnenmarktes heraus: Um die Ziele der CO2-Reduzierung, dauerhafte Gewährleistung der Versorgungsicherheit und der Stärkung des Industriestandortes Europa zu erreichen, gehe an einem europäischen Energiebinnenmarkt mit klaren und zuverlässigen Rahmenbedingungen sowie Planungssicherheit für Unternehmen kein Weg vorbei. Er betonte gleichzeitig die Bedeutung eines funktionierenden Emissionshandels und des Ausbaus der Energie-Infrastruktur.

 Gefährden die Energiekosten den Industriestandort Deutschland?

Den Industriestandort hatte auch die Diskussionsrunde im Blick, an der u.a. der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann teilnahm: „Wir haben eine hohe industrielle Wertschöpfung in Deutschland, die uns 2008/2009 gut durch die Krise geführt hat.“ Diese gelte es zu erhalten. „Energie muss bezahlbar sein – für die Industrie aber natürlich auch für den Verbraucher.“ Dr. Willem Huisman, Präsident und Vorstandsvorsitzender von Dow Deutschland Inc. ergänzte: „Die hohen Energiepreise in Deutschland kann sich die energieintensive Industrie wie die Chemiebranche auf Dauer nicht leisten.“ Im Vergleich zu den USA seien die Energiepreise zwei bis drei Mal so hoch. Bernhard Mattes, Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, machte deutlich, dass Deutschland innerhalb von Europa zwar noch ein attraktiver Investitionsstandort für amerikanische Unternehmen sei, global betrachtet aber Regionen wie Asien deutlich interessanter seien. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf. Das sah auch Dr. Rolf Martin Schmitz, stv. Vorsitzender des Vorstandes der RWE AG, so: „Die schleichende Deindustrialisierung Deutschlands hat bereits begonnen.“ Das gefährde auch Arbeitsplätze, so Reiner Hoffmann vom DGB. „Es wäre fahrlässig, aus der Kernenergie und der Kohle gleichzeitig auszusteigen.“

 Ein Kapazitätsmarkt für Deutschland – Chancen und Risiken

Weiteres Thema der Runde war auch die Frage nach der Notwendigkeit der Einführung eines Kapazitätsmarktes. Dr. Rolf Martin Schmitz: „Wir bauen kein Kraftwerk in zwei Jahren.“ Deswegen müssten jetzt die entsprechenden Weichen gestellt werden, um bis zum vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie die Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten. Das Thema Kapazitätsmarkt sei DAS Thema in diesem Jahr, so Rainer Baake, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. „Kapazitätsmärkte können nicht eingeführt werden, nur um Kraftwerke am Leben zu erhalten, die wir eigentlich nicht brauchen.“ In den nächsten Jahren gebe es in Deutschland weiterhin Überkapazitäten. Dennoch müsse zukünftig das Thema adressiert werden, denn der aktuelle Grenzkostenmarkt („Energy Only Markt“) sei nach der Liberalisierung des Strommarktes eingeführt worden – in einer Zeit, in der es hauptsächlich konventionelle Kraftwerke gab. Angesichts eines steigenden Anteils an erneuerbarer Energie im Netz funktioniere der Grenzkostenmarkt aber nicht mehr optimal. Ob und welches Modell eines Kapazitätsmarktes das Richtige sei, ließ er jedoch offen. Dieses gelte es nun nach im Rahmen der Konsultationsphase zum Grünbuch zu diskutieren. Große Chancen zur Sicherung der zukünftigen Energieversorgung sehe er vor allem im europäischen Energiebinnenmarkt. Das Thema Versorgungssicherheit sei keine rein nationale Frage, sondern müsse im Einklang mit den europäischen Nachbarn und der EU geklärt werden.

 „Die Welt ist unsicher geworden“ – Auswirkungen der Geopolitik auf den Gas- und Ölmarkt

Das Thema Versorgungssicherheit treibt auch Mario Mehren, Mitglied des Vorstandes der Wintershall Holding GmbH, um. Angesichts der geopolitischen Krisen in der Ukraine und im arabischen Raum sei 2015 mit unkalkulierbaren Risiken zu rechnen. Nun gelte es, mit der richtigen Strategie die Versorgungssicherheit in Europa zu stabilisieren. „Ohne Russland geht es nicht.“ Europa und Russland brauchten einander, Europa sei für Russland immer noch der wichtigste Markt. Gleichzeitig müssten die Versorger auch auf Diversifizierung setzen. Wichtige Märkte seien hier Westeuropa, der arabische Raum und Südamerika. Einem zentralisierten Gaseinkauf erteilte er eine Absage: „Wir brauchen mehr und nicht weniger Markt.“

Unkonventionelle Energiequellen – amerikanischer Schiefergasboom

Einen weltweiten Umbruch in der Energiebranche konstatiert auch Lisa Davis, Mitglied des Vorstandes der Siemens AG. Versorgungssicherheit, dezentrale Energieerzeugung und Systemflexibilität seien kein rein europäisches Thema. Auch in den USA seien eine zunehmende Dezentralisierung, ein Ausbau der erneuerbaren Energien und ein Wechsel von Kohle zu Gas („fuel switch“) zu beobachten, der sich vor allem im Schiefergasboom äußert. Das Erschließen unkonventioneller Energiequellen sei ein weltweiter Trend – ähnlich wie die USA böten auch Länder wie Argentinien oder Australien großes Potenzial für Schiefergas.

Kurzfristig betrachtet sei der amerikanische Schiefergasboom positiv für Europa, äußerte Peter Mather, Regional Vice President der Europe BP Gruppe. Denn Europa decke große Mengen des Energiebedarfs mit Importen und profitiere aktuell vom niedrigen Ölpreis als Konsequenz des großen Energieangebots auf dem Markt. Doch es brauche eine langfristigere Perspektive. „Neue Technologien, europäischer Binnenmarkt, das Erschließen neuer Importquellen für Gas, die Förderung von Energieeffizienz – das sind nur einige Themen, die die EU adressieren muss, um den Wirtschaftsstandort Europa langfristig zu stärken.“

 

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