Tageszusammenfassung der 22. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft 21. Januar 2015

„2015 ist das Jahr der Entscheidungen“ – die Energiewende in Deutschland und Europa

„Wir haben die Hälfte der Strecke geschafft“ – die EU sei in Sachen Energie-Binnenmarkt auf einem guten Weg, erklärte Lord John Mogg, Chair of the Board of Regulators der Agency for the Cooperation of Energy Regulators (ACER) zum Beginn des zweiten Konferenztages. Mit dem dritten Energiepaket lege die EU-Kommission den Fokus vor allem auf den Ausbau eines grenzüberschreitenden Übertragungsnetzes und die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen. Bis 2025 wolle die Kommission einen marktwirtschaftlichen Binnenmarkt etablieren, Versorgungssicherheit gewährleisten und eine bessere Zusammenarbeit sowie den Austausch stärker vorantreiben – zwischen dem Strom- und Gassektor und den Verbrauchern, zwischen EU-Mitgliedsstaaten und zwischen der EU und ihren Anrainerstaaten.

Eine weniger positive Bilanz der Energiewende in Deutschland zog BDEW-Präsident Johannes Kempmann. Er bemängelte an der politischen Debatte eine Reduzierung der Energiewende auf den Stromsektor – Themen wie Wärme, Effizienz und Mobilität kämen zu kurz. Die EEG-Novelle sei aber ein Schritt in die richtige Richtung. „2015 ist das Jahr der Entscheidungen“, so Kempmann. Nun gelte es, neben den Themen Netzausbau und Versorgungssicherheit die KWK-Novelle und eine neue Netzentgeltsystematik anzugehen. Auch die Diskussion um die Kapazitätsmarktdebatte vom Vortag griff er auf und zeigte dabei Unverständnis gegenüber Wirtschaftsminister Sigmar Gabriels Vorwurf, überflüssige Kraftwerke sollten nach dem Willen ihrer Betreiber mit einem Kapazitätsmarkt gerettet werden. „Es geht nicht um Subventionen, sondern um Versorgungssicherheit“, betonte Kempmann. Der dezentrale Leistungsmarkt sei technologieoffen und marktwirtschaftlich organisiert. Dabei würden Unternehmen zielgenau den Bedarf ihrer Kunden ermitteln – das Vorhalten von Überkapazitäten sei so ausgeschlossen.

25 Prozent Strom aus KWK bis 2020 – Verfehlt die Bundesregierung ihr Ziel?

Auch das Thema Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) griff er kritisch auf: „Das Geschäftsmodell ist unter Druck geraten. Das Ziel aus dem Koalitionsvertrag, bis 2020 25 Prozent Strom aus KWK zu beziehen, werden wir nicht erreichen.“ In der anschließenden Diskussionsrunde widersprach Dr.Urban Rid, Leiter Energiepolitik –Strom und Netze vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dieser These. Er kündigte an, dass die Bundesregierung zum Thema KWK bereits im Frühjahr eine Grundsatzentscheidung treffen werde und 2015 den entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen wolle. Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender der MVV Energie AG, betonte zudem in der Debatte, dass KWK gerade im Wärmemarkt und als Partner der erneuerbaren Energien einen wertvollen Systembeitrag leiste.

Flexibilisierung als neues Leitbild

Was die Reform des Gesamtsystems angehe, sei Deutschland noch am Anfang, äußerte BEE-Geschäftsführer Dr. Herrmann Falk. Um volatile Energien besser zu integrieren, brauche es intelligente Netze, einen Abbau von Überkapazitäten und Flexibilitäten, wie z.B. Power-to-Heat Lösungen. Der Wärme- und Mobilitätsmarkt sei ideal, um Überschüsse der regenerativen Energien aufzufangen. Hinderlich für die Entwicklung neuer Technologien sei aber, dass Stromsteuer und EEG-Umlage für derartige Anlagen fällig werden. Das Thema Flexibilität griff auch Dr. Norbert Schwieters von PriceWaterhouseCoopers AG (PwC) auf. Er beobachte eine weltweite Transformation des Energiesektors, bedingt durch Megatrends wie den Klimawandel oder die zunehmende Digitalisierung – mit disruptiven Folgen für die Unternehmen der Energiewirtschaft, wie das jüngste Beispiel E.ON zeige. Die Branche erlebe einen Paradigmenwechsel: Während früher Energie linear von der Erzeugungsquelle zum Verbraucher transportiert wurde, sei der Sektor zukünftig als multilaterales Netzwerk organisiert, in dem z.B. auch der Verbraucher zum Produzenten werden kann und Überschüsse zwischenspeichert oder ins Netz einspeist. Leitbild dieser vernetzten dezentralen Energiewelt sei daher die Flexibilisierung, um das Netz stabil zu halten und Versorgungssicherheit zu garantieren. Dabei spiele auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle; gerade das Thema Industrie 4.0 biete großes Potenzial.

„Energiewende ist Tochter der Klimapolitik“

2015 als Jahr der Entscheidungen – das gilt auch für den Klimaschutz. Ende des Jahres soll in Paris das Folgeabkommen für das Kyoto-Protokoll beschlossen werden. „Der entscheidende Durchbruch dabei wird sein, dass wir uns alle – also auch die Schwellenländer und nicht nur die Industriestaaten – daran beteiligen“, erklärte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks auf der Handelsblatt Jahrestagung. Dabei müsse jedes Land nach seinen technischen und ökonomischen Möglichkeiten einbezogen werden, um das Zwei-Grad-Ziel bis Ende des Jahrhunderts zu erreichen. In Deutschland sei hier die Energiewirtschaft als größter CO?-Emittent besonders gefragt. Gleichzeitig biete der Wandel hin zu einer nachhaltigen dekarbonisierten Energieversorgung aber auch großes Potenzial: Schon heute sei Deutschland im Bereich der Umwelttechnologien Weltmarktführer.

„Ambitionierter Klimaschutz und Wirtschaftswachstum schießen sich nicht aus“, betonte Prof. Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Von 2000 bis 2010 seien die Emissionen stärker gestiegen als in den drei Jahrzehnten davor. Grund dafür sei vor allem das globale Wirtschaftswachstum. Aktuell sei auch aus wirtschaftlichen Gründen die Verstromung von Kohle besonders attraktiv: „Wir erleben eine Renaissance der Kohle“. Hier gebe es dringenden Handlungsbedarf.

Eine Lösung könnte die Reform des europäischen Emissionshandels sein, war sich die anschließende Diskussionsrunde einig. „Nationale Maßnahmen machen keinen Sinn, wir müssen beim Zertifikatehandel nachjustieren“, so der stv. Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Dr. Rolf Martin Schmitz. Auch Dr. Ludwig Möhring, Geschäftsführer der Wingas GmbH, konstatierte einen massiven Überschuss an Zertifikaten, schränkte aber auch ein, dass die Reform des ETS nicht dafür sorgen werde, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken, wie von der Bundesregierung angestrebt. Es brauche weitere Maßnahmen. Großes Potenzial dafür sah die Runde im Bereich Energieeffizienz im Wärmemarkt.

Integration der erneuerbaren Energien – neue Herausforderungen für die Verteilnetze

„Die Qualität der Netze ist nach wie vor hoch“, äußerte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, zum Abschluss des zweiten Konferenztages. Doch gerade in Norddeutschland steigen die Herausforderungen an die Netze durch die Integration volatiler Energien. Die 884 Verteilnetzbetreiber in Deutschland seien unterschiedlich betroffen – dem müsse im Rahmen der Anreizregulierung Rechnung getragen werden, so Homann. Auch Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung der EWE Netz GmbH, forderte eine Differenzierung und sachgerechte Regulierung. Zudem seien Innovationen nötig. So müsse nicht die letzte Kilowattstunde ins Netz gebracht werden. Mit dem fünf Prozent-Ansatz ließe sich die Netzkapazität verdoppeln. Dafür brauche es aber intelligente Technologien, um das Lastmanagement entsprechend zu steuern. Dem schloss sich auch Stephan Kamphues, CEO der Open Grid Europe GmbH, an: „Wir brauchen intelligente und europäische Netze.“

 

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